Weichtiere
Bäumchentiere sind nur sehr klein, kaum halb so lang wie ein menschlicher Finger. Sie kommen an Orten vor, an denen die Luft besonders hexolhaltig ist. Ihre Haut hat einen unauffälligen grünlich-braunen Farbton. Im Aussehen erinnern sie auf den ersten Blick mehr an Pflanzen als an Tiere. Wie ein winziges knorriges Bäumchen scheinen sie am Boden festgewachsen zu sein. Der Eindruck täuscht jedoch. Das, was den Betrachter an Äste und Zweige erinnern mag, sind in Wahrheit unzählige fein verzweigte Tentakel, die aus der Haut des Bäumchentieres wachsen. Bei Gefahr zieht das Tier die Tentakel ein, rollt sich zu einer festen, leicht schleimigen Kugel zusammen und sucht Schutz zwischen Grashalmen.
Durch seine Tentakel filtert das Bäumchentier Hexol aus der Luft, welches es seinem Organismus zuführt. Langsam kriecht es auf seinem Fuß vorwärts und weidet dabei mit dem Mund, welcher in der Mitte des Fußes liegt, feines Moos von Kieselsteinen ab. Wer ein Bäumchentier genauer betrachtet, dem muss unfehlbar die rein äußerliche Ähnlichkeit mit den Organa, den Wahrzeichen der modernen Magitechnologie, ins Auge stechen (obwohl Organa sehr groß und Bäumchentiere winzig sind), und in der Tat waren es diese Tiere, die durch die perfekte Technologie ihres Körpers den Großen Sunderwright zum Bau seines ersten Meisterwerkes inspirierten.
Bäumchentiere sind außerordentlich schmackhaft und gelten
in fast allen Ländern als Delikatesse. Man pflückt sie
lebendig vom Boden ab, putzt sie und isst sie möglichst lebend und
frisch, nur mit etwas Salz oder Zitronensaft.
Der Globster ist das größte neu entdeckte Tier unserer modernen Zeit. Diese mysteriösen Tiere galten lange Zeit als Märchen. Schon lange erzählten Fischer Geschichten von metergroßen, wabbeligen Massen, die sich in ihren Netzen verfingen oder am Strand angespült wurden. Der Biologe Wilbur Haggard glaubte nicht an ein Märchen. Er machte Aushänge, setzte eine Belohnung für Hinweise aus, und tatsächlich – es dauerte kaum ein Jahr, und ein Fischer aus dem skentischen Dorf Tairv meldet sich: Er hatte den Kadaver eines der gewünschten Wesen am Strand einer der vielen kleinen Küsteninseln gefunden. Haggard reiste sofort an und nahm Proben von dem gelatineartigen, durchscheinenden Körper, der sich schon im Zustand der Verwesung befand. Die Auflösung ging sehr schnell vonstatten, sodass Haggard, an seine Universität in Es-Chaton zurückgekehrt, nur noch etwas faseriges Material in seinen Proben vorfand, und das, obgleich er die Gewebeteile in Alkohol eingelegt hatte. Ihm war es jedoch gelungen, Zeichnungen von dem gesamten Kadaver anzufertigen und einige Versuche bereits vor Ort durchzuführen. Laut seiner Ergebnisse handelte es sich um ein großes Weichtier, einer Amöbe nicht unähnlich, dessen Körper sich beim Kontakt mit Luft rasch aufzulösen beginnt und das daher nur unter Wasser lebensfähig ist. Die Wissenschaft lachte Haggard zunächst aus, doch als nur wenige Monate darauf wieder ein solches Tier an der Küste Skents angespült wurde, beging der Biologe nicht erneut den Fehler, allein an den Fundort zu reisen. Zehn namhafte Kollegen unterschiedlicher Universitäten begleiteten ihn. Es war eine Sensation: Nun mussten die Forscher die Existenz des Globster anerkennen. Dieses Exemplar war ungleich frischer und konnte tatsächlich als bisher unbekanntes Weichtier identifiziert werden. Freilich ist über die Lebensweise des Globster bisher so gut wie nichts bekannt, und es ist unklar, ob es jemals gelingen wird, einen Kadaver dieses seltenen und merkwürdigen Tieres im Museum auszustellen.
Echsen
Der Drache ist neben der winkenden Katze das Wahrzeichen Yuns, das größte Raubtier der Inselgruppe und ein prachtvolles, stolzes Geschöpf. Es erstaunt nicht, dass die Yunai „ihren“ Drachen besonders lieben und mit großer Sorge verfolgen, wie sich seine Population mehr und mehr verringert.
Ein ausgewachsener Drache erreicht eine Länge von drei bis vier Metern. Der Leib ist so schmal, dass ihn ein Mann mit ausgebreiteten Armen umschließen kann. Die Gestalt des Drachen erinnert am ehesten an einen Aal. Seine Vorder- und Hinterbeine sind so klein, dass sie ihn nur mit einiger Mühe über den felsigen Boden tragen, daher bevorzugt er, solange er nicht mit Hexol vollgesogen ist, die Fortbewegung im Wasser. Allerdings sind die gebogenen Krallen derart scharf, dass er sich damit gar an senkrechten Felswänden anklammern kann. Der schlangenartige Körper ist auf der Oberseite dunkelgrau, auf der Unterseite silbrigweiß geschuppt. Scharfe, dolchartige Zähne spicken den Kiefer. Auffallend sind die langen, tentakelähnlichen Hautauswüchse um das Maul herum, die der Drache ständig bewegt, vielleicht, um Witterung seiner Beute aufzunehmen. Golden leuchten die Augen, und die Bewohner von Yun behaupten, in ihnen liege ein Ausdruck der Freundlichkeit gegenüber jedem Sterblichen. Der schlanke Körper läuft in einem peitschenartigen Schweif aus.
Flügel besitzt der Drache keine, und dennoch ist er ein überaus geschickter Jäger in der Luft sowie im Wasser. Um seine Beute, Fische und Seevögel, zu erjagen, hat er eine einzigartige Technik entwickelt: Er ruht in den hexolreichen Felsgrotten der Insel Yun und trinkt dort vom mit Hexol gemischten Wasser, das aus der Erde sprudelt. Auf diese Weise mit magischen Fähigkeiten ausgestattet, schwingt er den Körper in die Luft. Für die Menschen sieht es aus, als schieße ein silberfarbener Blitz über den Himmel. Der Drache fängt die Vögel direkt aus der Luft; erblickt er im Wasser Fische, taucht er ein, packt sie mit dem Maul und erhebt sich wieder in den Himmel.
Einem Drachen bei der Jagd zuzusehen, ist ein beeindruckendes Schauspiel. Die abergläubische Bevölkerung von Yun ist zudem der Meinung, der Anblick eines Drachen bringe Glück. Fälle, in denen ein Drache einen Menschen angriff, sind nicht bekannt, dies lässt sich allerdings vermutlich darauf zurückführen, dass der Mensch nicht ins Beuteschema der mächtigen Echse passt.
Vögel
Es heißt, die Eroberer von Yun konnten das Lachen nur schwer zurückhalten, als ihnen kleingewachsene Krieger mit seltsamen Frisuren auf großen Laufvögeln entgegen ritten. Doch sie sollten schon bald erfahren, dass ihre sonderbaren Reittiere den Schwertkämpfern der Insel von großem Nutzen waren.
Hangläufer sind etwa zwei Meter groß und grau gefiedert mit schwarzen Hälsen und Köpfen. Die Gefiederfärbung kann leicht variieren, manchmal kommen ganz schwarze Tiere vor. Diese gelten bei den Yunai als besonders edel. Die Tiere besitzen Flügel, können aber nicht fliegen, sondern nur als Drohgebärde flattern. Ihre breiten, hornigen Füße haben vier Zehen, zwei nach vorn und zwei nach hinten, wodurch die sie einen besonders sicheren Tritt besitzen und die unwegsamen Berghänge von Yun ohne Mühe hinauf und hinunter klettern.
Die Vögel leben in Herden zu etwa zwanzig Tieren zusammen, die Küken mitgerechnet. Eine dominante Henne führt die Herde an, sie wird von einem besonders prächtigen Hahn unterstützt.
Tagsüber sucht sich die Herde einen sicheren Ort zum Weiden. Die Tiere stehen dann meist am Berghang und rupfen mit den Schnäbeln das Gras ab, während der Leithahn Wache hält. Bei einer Störung stößt er einen lauten, trompetenartigen Ton aus, und die gesamte Herde stiebt auf und davon.
Hangläufer fressen besonders gern süßes Obst. Manchmal gelingt es den Yunai, wilde Tiere zu fangen, indem sie Obst auslegen und die Vögel einfangen, während sie es fressen. Da die Vögel gelehrig und sehr gesellig sind, gewöhnen sie sich meist schnell an ein Leben in Gefangenschaft und lernen, einen Reiter zu tragen. Für den Kampf ausgebildete Hangläufer beherrschen oft noch eine Vielzahl an Sonderfertigkeiten, die seinem Reiter von Nutzen sind: Sie können auf Befehl hacken, treten, mit den Flügeln schlagen o. ä. Häufig sind sie ihrem Besitzer so treu, dass sie auch nach dem Tod des Kriegers nicht fliehen, sondern den Leichnam verteidigen.
Außerhalb von Yun haben sich die Hangläufer allerdings nicht als Reittiere durchsetzen können.
Säugetiere
Der Silbertiger ist eine hübsche kleine Raubkatze von einem bis anderthalb Schritt Länge (den Schwanz nicht mit eingerechnet). Er lebt hauptsächlich auf Yun, wenn einige Exemplare auch auf dem Festland von Lucien vorkommen, und bevorzugt felsige Waldgegenden. Sein Fell ist von silbergrauer Farbe mit schwarzen Streifen, Gesicht, Bauch und die Rückseite der Beine sind heller abgesetzt. In den Bergwäldern von Yun ist er im Dickicht fast unsichtbar.
Der Tiger lebt einzelgängerisch in einem großen Revier, nur zur Paarung treffen Katze und Kater kurz zusammen. Die Jungtiere sind sehr verspielt und bleiben bis zu einem Jahr bei ihrer Mutter.
Die hauptsächliche Beute des Silbertigers sind Hangläufer, vor allem besonders junge und besonders alte Tiere, denen er geduldig auflauert. Die geschlagene Beute wird weggeschleppt, häufig auf Bäume hinauf.
Der Silbertiger ist trotz seiner eher geringen Größe sehr aggressiv und attackiert wesentlich größere Gegner, weswegen er auf Yun als Sinnbild von Mut gilt. Dazu hat auch seine sprichwörtliche Unzähmbarkeit beigetragen. Katka, das bedeutet „Tigerherz“, ist auf Yun ein verbreiteter Name, sowohl für Männer als auch für Frauen.
Leider ist die Population des Silbertigers in den letzten Monaten stark zurückgegangen, da es in den Städten Es-Chatonicas Mode geworden ist, Mäntel zu tragen, deren Aufschläge mit dem Fell des Silbertigers verziert sind.
Marouanischer Bastard
Vorkommen: südliches Marou (Dschungel und Randgebiete)
Dieser Allesfresser hat dichtes schwarzbraunes Fell mit zwei dunkleren Streifen
um die Augen. Sein Körper ist langgestreckt, und mindestens ebenso lang ist der
nackte Schwanz mit einer Fellquaste am Ende. Körper und Schwanz erreichen
jeweils für sich eine Länge von bis zu einem Schritt. Meist wirkt der Bastard
jedoch kleiner, da er seinen Körper im Kauern "zusammenstaucht".
Bastarde sind Allesfresser und hauptsächlich nachtaktiv. Sie gehen nicht direkt
auf die Jagd, töten aber dennoch, wenn es sich gerade anbietet, denn Fleisch
gehört zu ihren Lieblingsspeisen. Sie fressen jedoch auch Obst, Wurzeln,
Insekten usw. Mit ihren kräftigen Zähnen können sie auch kleinere Knochen
durchbeißen (und einem Menschen den Finger abbeißen).
Sie leben paarweise, gehen jedoch getrennt auf Beutesuche. Miteinander
verständigen sich die Bastarde durch zahlreiche verschiedene Laute. Sie können
einen beachtlichen Lärm veranstalten, wobei ihr Geschrei erschreckend an die
Schreie eines Menschen in Todesqualen erinnern kann. Zur Paarungszeit kreischen
sie ganze Nächte hindurch.
Um den marouanischen Bastard ranken sich allerlei Schauergeschichten. Das Tier
soll sich nachts in menschliche Siedlungen schleichen, die Neugeborenen töten
und auch junge Tiere rauben. Solche Fälle konnten zwar noch nicht nachgewiesen
werden, trotzdem ist der Bastard erwiesenermaßen recht gefährlich. Wird er
nachts auf seiner Nahrungssuche gestört, flieht er häufig nicht, sondern stellt
sich zum Kampf. Dabei reckt er zunächst den langen Schweif in die Höhe, streckt
den Körper, sträubt sein Fell und reißt das rote Maul auf. Kurz darauf stößt er
sich zum Sprung ab und beißt zu. Forscher, die den Bastard aus dem Vorratszelt
ihrer Expeditionsgemeinschaft verjagen wollten, wurden dabei bereits schwer
verletzt. Es ist angeraten, den Bastard in Ruhe zu lassen oder zumindest aus
der Entfernung zu erschießen.
Die weichen, dichten Felle des Tieres zeigen bei richtiger Bearbeitung einen
aparten violetten Schimmer. In den Metropolen sind sie unter dem Namen
"Amethystpanther" in den Handel gelangt.